Der Beach Sprint debütiert an den Olympischen Spielen in LA 2028

 

Von: Ines Michel

 

Nicht nur Fortschritte in der Ausrüstung, Trainingstechniken und Leistungsanalysen haben das Rudern als traditionelle   olympische Sportart weiterentwickelt.  

Das sich auf dem Vormarsch befindende Coastal Rowing erweitert die Vielfalt der Bootsklassen im Rudersport und  bietet Ruderern die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Umgebungen und Bedingungen zu testen.  

Zudem wird der Rudersport durch die Einführung von Coastal Rowing als eigenständige Disziplin zugänglicher und inklusiver. Neben den traditionellen Rudernationen entdecken insbesondere Nationen mit starkem Bezug zum Meer oder zu grossen Gewässern das Coastal Rowing. Das globale Interesse am Rudersport wird gefördert.  

 

Beach Sprint wird olympisch.  

 

Nicht erstaunlich ist daher auch der Entscheid des IOCs vom 12. Oktober 2023, die Coastal Rowing Disziplin Beach Sprint nebst dem klassischen Rudern in das Programm der Olym- pischen Spiele 2028 in Los Angeles aufzunehmen.  

 „Coastal Rowing – quasi das Mountainbiking des Rudersports – ist hektisch, dynamisch und vor allem eines: nass.“  

Insgesamt stellt Coastal Rowing eine aufregende Alternative zum traditionellen Rudern dar und zieht Ruderer an, die die Herausforderung und das Abenteuer in rauen Gewässern suchen.  

Es ist eine Sportart, die durch ihre Einzigartigkeit und ihre besonderen Anforderungen fasziniert und zunehmend an Beliebtheit gewinnt.  

 

Rudern = Rudern, oder?

 

Entsprechend ist auch der Ruderstil an die herausfordernden Bedingungen angepasst. Lassi Karonen, Skiff Olympiateilnehmer aus Schweden, beschreibt Coastal Rowing wie folgt: “the similarity with flatwater rowing is the movement of the stroke, everything else is different.”

Ruderer nutzen häufig kräftigere Schläge und eine stärkere Bootskontrolle, um mit den anspruchsvollen Bedingungen auf offenem Wasser zurechtzukommen.  

Ebenfalls sind Renntaktik, Navigieren und das optimale Ausnutzen der Verhältnisse matchentscheidend. Um die Bojen möglichst schnell zu umrunden, braucht es neben einiger Erfahrung auch ein grundlegendes Verständnis Wellen, Wind und Strömungen für sich optimal zu nutzen.  

 

Auch die Boote sind auf die anspruchsvollen Bedingungen ausgelegt.  

 

Die beim Coastal Rowing verwendeten, speziell konstruierten Boote, sind robuster und breiter als traditionelle Rennruder- boote. Diese Boote sind ausgelegt, um den rauen Bedingungen auf offenen Gewässern besser standzuhalten, einschliesslich hoher Wellen, starker Strömungen und wechselnder Windverhältnisse. Das abgeflachte Heck ermöglicht das über- und abfliessen des Wassers.  

Der Balance geschuldet gibt es nur Skull-Boote: den Einer, Doppelzweier, Mixed-Doppelzweier und den gesteuerten Doppel-vierer.  

 

Coastal Rowing bietet aktuell zwei Wettkampfformate.  

 

Das Langstreckenrennen wird über minimale Distanz von vier Kilometern in einem Rechteck um mehrere Bojen ausgetragen. Alle Boote starten aufs Mal – beim Umrunden der Bojen kann es daher durchaus zu Engpässen kommen.  

Das zweite Wettkampfformat ist der Beach Sprint, welches als Ausscheidungsrennen Boot gegen Boot gefahren wird. Die Ruderstrecke zur Wendeboje ist mit 250 Metern kurz. Ge-startet und gefinisht wird an Land. Das rasche Einsteigen ins Boot, sowie ein schneller Schlusssprint durch den Sand entscheiden nicht selten das Rennen.  

Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von internationalen Wettkämpfen und Meisterschaften im Coastal Rowing. Die vom Weltruderverband (FISA) organisierten Wettkämpfe im Coastal Rowing werden als Weltmeisterschaften (World Rowing Coastal Championship) auf der Langdistanz sowie als Finals (World Rowing Beach Sprint Finals) in den Sprintdisziplinen ausgetragen.  

Die nächsten Wettbewerbe finden Anfang und Mitte September in Genua, Italien statt.  

 

Vom Mauerblümchen zur Olympischen Sportart – die Geschichte des Coastal Beach Sprints.  

 

Der eigentliche Wettkampfsport begann in Frankreich in den 1980er Jahren. Die ersten Weltmeisterschaften auf der Lang-distanz fanden bereits 2007 in Cannes statt.  

Der Beach Sprint wiederrum, wurde das erste Mal 2011 als Fun Regatta an den Weltmeisterschaften in Bari, Italien angeboten. Dieses Experiment war so erfolgreich, dass es bei den Weltmeisterschaften 2013 in Helsingborg, Schweden erstmal einen Zieleinlauf am Strand stattfand.  

Im selben Jahr entstanden einige Multisport Beach Games – an denen das Coastal Rudern als Disziplin angeboten wurde. Wie es immer bei „Neuem“ ist, gab es am Anfang einiges an Überzeugungs- und Aufklärarbeit zu leisten. Nicht selten wurden diese Vordenker als „mad rowers“ abgestempelt.  

Die Jahre 2015 und 2016 können aus Perspektive Coastal Rowing als Game Changer Jahre bezeichnet werden und verdeutlichten rückblickend das Potenzial der Beach-Sprints für Nationen, die bisher nicht im olympischen Ruderzirkus zu finden waren.  

Völlig unbekannte Nationen wie Algerien und Tunesien über-holten bei den Mediterranean Beach Games 2015 in Pescara viele etablierte europäische  Nationen, während Thailand und Indonesien an den Asian Beach Games 2016 die         chinesische Staffel überflügelten.  

Das erste Mal offiziell auf der  olympischen Bühne wurde 2018 über Coastal Rowing diskutiert: in diesem Jahr wurden die Olympischen Jugend-spiele nach Dakar vergeben. Mangels Alternativen mussten die Wettbewerbe im Meer stattfinden. Notgedrungen wurde der Beach Sprint dem IOC vorgeschlagen und akzeptiert.  

Diesem Entscheid folgend führte der Weltruderverband Finals im World Rowing Beach Sprint ein, welche 2019 in Shenzen, China erstmalig ausgetragen wurden. Man entschied sich bewusst für die Bezeichnung „Finals“ (nicht für „Meisterschaften“), um die familiäre Atmosphäre zu wahren.  

 

Die Erfolgsgeschichte nimmt ihren Lauf.

 

Aufgrund des enormen Zuschauerinteresses und der  Zuschauerfreundlichkeit, der Attraktivität dieser Disziplin und der unermüdlichen Arbeit einiger begeisterter Coastal  Ruderer, wurde der Beach Sprint als einzige neue Disziplin, die sich aus einer bereits bestehenden olympischen Sportart entwickelte, in das Programm der Olympischen Sommerspiele in Los Angeles 2028 aufgenommen.  

Die endgültige Entscheidung über die Disziplinen, Quoten und Wettkampfformate wird von der IOC-Exekutive nach den Olympischen Spielen 2024 in Paris getroffen.  

World Rowing wird drei Medaillenwettbewerbe vorschlagen: den Männer-Einer, den Frauen Einer und den gemischten Doppelzweier.