Tipps & Tricks von Sarah Zurbrügg-Greenaway.
von: Ines Michel
Sarah - wie bist Du eigentlich zum Rudern gekommen? Damals wohnte ich in Oberwil und von unserem Haus aus habe ich die Regatta beobachten können. Es hat mich immer gereizt, mich in so ein Boot zu setzen. Mit 12 Jahren bin ich dann beim See-Club Zug in den Schülerruderkurs und von da an habe ich mit Begeisterung gerudert. Dazumal waren wir nur zwei Mädchen, die vom Schülerruderkurs übriggeblieben sind. Mein Gspänli hat dann ziemlich schnell aufgehört und ich bin dann lange das einzige Mädchen im Regattateam gewesen. Bis ich etwa 22 Jahre alt war, habe ich dann Regattasport gemacht – und bin immer ein wenig schneller geworden. Der Höhepunkt für mich war der Gewinn der Silbermedaille im Doppelzweier an der Junioren WM, zusammen mit Pia Vogel. Das war dazumal eine richtige Sensation – völlig unerwartet und ein super Erlebnis.
Wie ging es dann weiter? Pia hat als Leichtgewicht weitergerudert – aber ich bin nicht wirklich leicht gewesen. Als Seniorin habe ich im Skiff weitergemacht und bin international erfolgreich gefahren. Mein Ziel war damals die Teilnahme an den Olym- pischen Spielen, aber es ist anders gekommen. Ich hatte viele gesundheitliche Probleme und bin nicht wieder richtig fit geworden. Hinzu kam noch, dass ich immer allein unterwegs war - das machte es nochmals schwieriger. Daneben machte ich mir Gedanken über meine Zukunft und ich wusste, dass ich vom Leistungssport nicht leben kann. Ich hatte zwar erfolgreich meine Matura bestanden, aber keine Ausbildung. Zur Zeit meiner aktiven Karriere, arbeitete ich noch zu 60% im Büro. Ich trainierte viel, aber es hat nicht das herausgeschaut, was ich gerne gehabt hätte. Schlussendlich habe ich mich dann dazu entschieden, vom Leistungssport zurückzutreten, aus der Zuger Region wegzuziehen, eine Ausbildung zu absolvieren und meine Existenz zu sichern.
Aber so richtig losgelassen hat dich das Rudern nicht? Das stimmt. Im Jahr 2005 bin ich wieder zurück an den Zugersee gezogen. Nach etwa einer Woche, habe ich die ersten Ruderer wieder getroffen und dann bin ich auch recht schnell wieder in den See-Club eingetreten. Stephan fragte mich, ob ich beim Frauen Doppelvierer aushelfen würde und so bin ich wieder ins Regattarudern reingerutscht. Bei der darauffolgenden Indoor Rowing Meisterschaften bin ich direkt Zweite geworden. Aufgrund dieses Resultats sprach mich der damalige Nationaltrainer an. Es gab ein Projekt in Sarnen – der Ruderverband wollte einen Frauen Doppelvierer nach London an die Olympischen Spiele 2012 bringen und sie brauchten eine Ersatzfrau. Ich hatte zwar eigentlich keine Zeit, ging aber doch zum Kaderzusammenzug und rutschte so in das Projekt. Weil wir nicht schnell genug waren, wurde aus dem Doppelvierer ein Doppelzweier und dort sicherte ich mir einen Platz. Wir sind dann allerdings knapp an der Qualifikation zu den Olympischen Spielen gescheitert und haben es nicht geschafft uns für London zu qualifizieren.
Warst du sehr enttäuscht? Die Zeit um 2011 / 2012 war für mich wie eine zweite Karriere, ein zweiter Anlauf. Das war schon cool. Ich war damals ja bereits 40 Jahre alt und bin nochmal so richtig in den Leistungssport eingestiegen. Das war wie ein Nachholen von dem, was ich nie wirklich abgeschlossen hatte. Parallel dazu, ab etwa 2006 / 2007 habe ich bei der Ruderschule Row&Row angefangen, zuerst als Aushilfe. Nach und nach bin ich in die Schulungen und Kurse reingerutscht. So gab das dann eine parallele Schiene, als Ergänzung zu meinem eigenen Sport. Letztlich ist alles aufgegangen.
Junioren WM 1987 in Köln: auf Bahn 4 startend gewinnen Sarah Zurbrügg-Greenaway und Pia Vogel in strömendem Regen mit 5:30:38 die Silbermedaille über 1500 Meter.
s´ Kränzli für den Ergometer
Das Training auf dem Ergometer hat zwar einen schlechten Ruf – ich habe auch unzählige Male gesagt, ich setze mich nie wieder auf so ein Gerät, weil ich stundenlang öde Fleissarbeit leistete! Aber der Vorteil ist, dass man erstens ein sehr effizientes Training machen und zweitens bewusst an der Technik arbeiten kann. Beim Ergo Training kannst du mit den Gedanken auf dem Wasser sein und dennoch am Land die Technikelemente üben. Und man kann das Training natürlich auch interessant gestalten, indem man unterschiedliche Programme fährt oder Variationen einbaut. Das fordert einen Sportler in der Bewegung und in der Technik.
Die Fusshöhe
Diese hat Einfluss auf den Kniewinkel zu Beginn des Beinstosses. Mit den Füssen zu hoch komme ich nicht weit genug in die Auslage (beim “Wasserfassen”) - ich vergebe Beinstoss. Faustregel: Unterschenkel in der Auslage senkrecht, dann ist der Kniewinkel ideal für einen wirksamen Beinstoss.
Die Luftklappe
Der Hebel an der Seite des Schwungrads beeinflusst den (Luft-) Widerstand. Dabei ist es nicht so wie beim Velofahren, dass ich in einem schweren Gang pro Umdrehung weiter komme als bei einem leichten Gang - auf dem Ergo ist es einfach ein Bremseffekt vom Schwungrad.
Position 10 = Luftklappe offen. Im Schwungradkasten entstehen vermehrt Luftwirbel, es gibt mehr Widerstand. Das Schwungrad bremst zwischen den Schlägen mehr ab und es wird anstrengender, es anzuschieben. Der Druck auf den Füssen ist gut spürbar - praktisch nur für Krafttraining geeignet.
Position 1 = Luftklappe zu. Weniger Widerstand und weniger spürbaren Druck unter den Füssen, ich muss entsprechend sensibler sein, um den Druck gleich aufnehmen zu können.
Bei einer Einstellung von 2 bis 4 erzeugt das Rudergerät ein ähnliches Gefühl wie das Rudern mit einem schmalen Rennboot. Leichtere Sportler, mit weniger Masse oder Kraft, wählen 2 - 3, schwerere Sportler mit mehr Masse oder Kraft wählen die Einstellung 3 - 4.
Der Anfang
Am besten nicht alleine, sondern mit anderen Personen das Trai-ning absolvieren. Sobald man rhyth- misch miteinander fahren kann, wird es interessanter und lässiger, man kommt besser in einen Flow.
Wenn man alleine trainiert: vorher überlegen, was für ein Training absolviert werden soll. Ich arbeite viel mit Musik, das macht es vor allem für lange Grundlagentrainings leichter.
Das erste Training auf dem Ruderergo?
Circa 10 Minuten einrudern, mit einem Schlagaufbau beginnen, danach 1-2 technische Übungen einbauen. Programm: 2 x 15 Min Schlagzahl (SZ) 18-20 / jede 4. Min SZ 22 - Pause 2-3 Minuten. Abschliessend 10-15 Minuten Gymnastik / Dehnen. Unabhängig von der Luftklappeneinstellung musst du deinen Krafteinsatz erhöhen, um eine höhere Intensität zu erzeugen.
Gibt es Technikübungen?
Es gibt endlos viele Technikübungen. Beinstoss, Hüftbeugung- und Streckung, sich “einspannen”, Rhythmus, Druckaufnahme, Handführung usw. - man kann in jedes Detail vom Ruderschlag ein- tauchen und Parallelen dazu ziehen, was wir auf dem Wasser machen.
Und wird man von selbst besser?
Wenn man technisch weiterkommen möchte, hilft es eine Aussensicht zu haben. Am besten lässt man einen Trainer draufschauen. Alternativ kann man sich auch gegenseitig filmen, da kommen auch schon die einen oder anderen Verbesserungspotenziale ans Licht. Ebenfalls ist es gut, wenn man sein Bewegungsgefühl direkt vor dem Spiegel kontrolliert. Da bekommt man das Feedback 1:1.
Die Kraftkurve
ist ein gutes Hilfsmittel um Feedback zu erlangen. Man sollte sich aber nicht nur auf die Kraftkurve fixieren. Eine gute Kraftkurve sieht symmetisch aus. Das zeigt mir, dass ich die Kraft, welche aus meinem Ruderschlag resultiert, gut ausschöpfe. Grundsätzlich kann man sagen: je mehr Fläche unter der Kraftkurve, desto mehr Leistung erbringe ich.
Eine versetzte Kraftkurve deutet auf Fehler in der Technik hin. Bei einer steil ansteigenden und flach abfallenden Kraftkurve zum Beispiel wird am Anfang vom Schlag zu viel Kraft eingesetzt, vielleicht reisst der Sportler auf oder macht zu viel mit den Schultern. Danach hat er für den Rest vom Schlag nur noch die Arme welche Kraft bringen und die Kurve flacht schnell ab.
Die Schlagzahl
Je besser man technisch rudert, desto höhere Schlagzahlen kann man fahren ohne dass die Effizienz leidet. Das kann man ganz gut kontrollieren: Wenn man höher schlägt, sollte die Leistung besser werden und das Boot schneller. Stagniert die Leistung oder Geschwindigkeit trotz einer höheren Schlagzahl, kann ich die Kraft nicht mehr effizient einsetzen. Dann habe ich vielleicht meinen Bein- stoss nicht mehr so gut umgesetzt oder irgendwas anderes stimmt nicht mehr.
Um dies zu verbessern, muss ich in der höheren Bewegungsgeschwindigkeit den korrekten Bewegungsablauf koordinieren können. Oft hilft es, “back to Basics” zu gehen und an der Technik zu arbeiten, um den korrekten Ablauf anschliessend in der schnelleren Bewegung wieder abzurufen. Kontrol- lieren kann ich das mit Hilfe der Anzeige Bootsgeschwindigkeit oder Wattzahl.
Wir arbeiten meistens mit der durchschnittlichen 500 Meter Geschwindigkeit: wenn ich mit der Schlagzahl hoch gehe, sollte diese Geschwindigkeit schneller werden.
Fazit
Klar gibt es erst mal eine Hemm- schwelle sich auf einen Ruderergometer zu setzen. Aber gerade wenn das Wasser nicht gut ist, kann man anstatt nach Hause zu fahren oder direkt zum Kaffee zu gehen, gut mal eine Trainingseinheit auf dem Ergo einschieben. So profitierst du gleich doppelt: Du machst etwas für deine Fitness, was dir beim nächsten Mal im Boot zugute kommt :-)!