Durch drei Länder von Metz nach Koblenz.

Von: Thomas Vonesch

 

Von der Quelle in den französischen Vogesen bis zur Mündung in den Rhein haben wir die Mosel gesehen. In zwei gesteuerten Touren-Doppelvierer ruderten wir mit 280 Kilometer etwa die Hälfte der ganzen Flusslänge. Von Auffahrt bis Pfingstmontag, 18. bis 29. Mai 2023, haben wir in 10 Etappen die Wasserstrasse durch Frankreich, Luxemburg und Deutschland befahren und 11 Schleusen mit Fallhöhen bis zu 9 Meter passiert.  

 

Mit Bootsanhänger, Bus und 13 Personen, die optimale Zusammensetzung für eine solche Rudertour, ging es vom Bootshaus Zug los. «Chriesi» und «Take Five» waren verladen. Das Zusatzmaterial wie Fanions, Paddel, Schwimmwesten, Seile, Wasserpumpen, Werkzeug und Funkgeräte geprüft. Die Anreiseroute wählten wir so, dass wir die «Source de la Moselle», den Ursprung der Mosel, am «Col de Bussang» auf 715 m besichtigen konnten. Wäre die Quelle nicht als Denkmal gefasst, man würde das sprudelnde Rinnsal glatt übersehen. Die Länge der Mosel wird hier mit 550 km angegeben. Sie wächst, gespiesen von Nebenflüssen wie  Sauer, Moselotte, Dhron, Saar und Ruwer, bis zur Mündung in den Rhein in Koblenz zu einem   kräftigen Fluss an. Die Mosel als Region ist geprägt von  Weinbau, der Fluss eine wichtige Wasserstrasse für den    regen Güter- und Personen- verkehr. Schon die Römer ruderten auf der Mosel mit Galeeren, um Truppen, Mosel- schiefer und Wein zu transportieren. Für unsere unternehmungslustige Truppe war der Ruderstart in Metz, beim Ruderverein «Société des Régates Messines». Im Vergleich zu römischen Galeeren hatten wir Sportboote, hinsichtlich Trup- pentransport und Weingenuss gab es hingegen Ähnlichkeiten.

 

Schleusen und Staustufen als Herausforderung

Unser Rudergebiet ist der Zugersee. Das Rudern auf dem Fluss und besonders die Überwindung von Staustufen in Schleusen hält auch für erfahrene Wanderruderer immer Überraschungen bereit. Damit hatten wir jedoch nicht gerechnet: Von der Passage der ersten Schleuse kurz nach Metz wussten wir, auch dass wir für die Benutzung der Mosel eine Vignette benötigten. Eine sorgfältige Vorbereitung gehört  schliesslich zu jeder Tour! Auf eine «Autorisation» für Ruderboote zur Passage von Schleusen in Frankreich hatte uns jedoch niemand hingewiesen. Trotz Nachfrage bei der staatlichen Wasserstrassenverwaltung, der VNF, Voies navigables de France, trotz Kontakten mit dem lokalen Ruderklub. Die französischen Schleusenwärter aber waren gut instruiert und strikt: «Pas de passage sans autorisation». Also zurück zum Anfang. Einen Hinweis auf die spezielle Anforderung fanden wir auch nachträglich nirgend- wo. Deshalb unsere Empfehlung: Wer französische Schleusen im Ruderboot passieren will, erkundige sich beim  Tourenverantwortlichen des lokalen Ruderklubs. Nicht beim Präsidenten oder Trainer, die wussten in Metz nichts davon.  

Somit beschränkten sich die ersten beiden Etappen aufs Rudern in Metz zwischen zwei Staustufen. Ab der dritten Etappe durchquerten wir dann nur noch Schleusen auf   deutschem Gebiet, problemlos. Herausfordernd war es trotzdem, in anderer Form: Sportschleuse oder grosse Schleuse, Wartezeiten, Zusammen- spiel der Rudermannschaft beim Schleusen, etc. Beeindruckend war es immer, wenn sich das Tor schloss und man bis zu 9 Meter tiefer wieder ausfuhr. Sei es hinter einem langen  Lastschiff, beide Ruderboote in der grossen Schleuse oder in der engen, vollautomatisierten Sportschleuse mit einem Ruderboot.  

 

Rudern verbunden mit Kultur und Kulinarik

Unsere ruderischen Etappenziele waren Metz, Guénange, Schwebsange, Nittel, Trier, Neumagen, Bernkastel, Zell, Cochem, Alken und Koblenz. Übernachtet haben wir in nahegelegenen Hotels. Dazwischen lagen wunderbare Landschaften mit steilen Reb-     bergen, unzählige Fluss- schleifen und malerische Dörfer mit herrschaftlichen Burgen. Begegnet sind wir Last- und      Hotelschiffen, Sportbooten, Fähren, Schwanfamilien sowie winkenden Campern oder Velofahrern. Das Schweizer Fähnchen am Heck zeigte Wirkung. Stadtbesichtigungen in Nancy, Metz, Luxembourg, Trier und Koblenz erweiterten unseren Horizont.  Wir besuchten die Wiege des grenzenlosen    Europas in Schengen. Erholten uns bei Mittags-Picknicks und anderen Zwischenhalten. Etwa in Beilstein, "Dornröschen der Mosel" genannt, angeblich der schönste Ort an der Mosel. Oder einer überraschenden Weindegustation des Weinguts Steffen-Lex am Flussufer, organisiert durch die Besitzerfamilie des Arbeitskollegen eines      Mitruderers. Begleitet wurden wir von sonnigem Wetter, fröh- licher Stimmung und tollem Teamgeist. Die alten Römer  hätten ihre Freude an uns gehabt. Ob sie auf ihren Fahrten Tagebuch geführt haben, wissen wir nicht. Ein solches zu lesen, wäre jedoch spannend gewesen. Die Leser und Leserinnen des «Ruderspritzer» sind diesbezüglich im Vorteil. Mit unserem Mosel-Tagebuch könnt ihr an unserer Fahrt teilnehmen.  

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18. Mai 2023:  

Anreise, Zug – Metz

Die Vorfreude war gross, als wir an Auffahrt um 8 Uhr beim See-Club losfuhren. Und sie wurde noch grösser, dank den Wetterprognosen. Für einmal war nämlich eine Fahrt in den Norden, genau dort wollten wir hin, empfehlenswerter als in den Süden. Schon bald erblickten wir blauen Himmel und die Sonne blinzelte uns ein erstes Mal zu. Wir liessen uns vorerst einfach treiben, denn wir fühlten uns bei René und Vreni  Fasan in besten Händen. Sie hatten die Ruderfahrt wie immer im Voraus rekognosziert und minuziös vorbereitet. Wofür ihnen schon jetzt unser  grosser Dank sicher war. So waren wir vielleicht etwas über- rascht, aber weiterhin mit   grenzenlosem Vertrauen in   unseren Chauffeur, als wir nach etwas mehr als 2 Std. Autofahrt plötzlich von der Schnellstrasse abbogen, um auf einer Passähnlichen Strasse weiterzufahren. Sie führte uns direkt zum Col de Bussang im Département Vosges, zum Ursprung der Mosel.  

 

Interessanterweise wird hier die Länge der Mosel mit 550 km angegeben, während die meisten anderen Datenquellen 544 km auflisten. In diesem Moment war das für uns jedoch bedeutungslos.  Wir genossen die einmalige und seltene Gelegenheit, auf einer Rudertour den Fluss sowohl an der Quelle als auch an der Mündung zu sehen. Hier nannte er sich   Moselle, in Koblenz Mosel. Der kurze Fotohalt tat gut, um die Beine zu vertreten. Weiter ging es nach Bussang in eine Boulangerie. Das Café au Lait und die ofenfrischen Brioches waren ein herrlicher kulinarischer Einstieg.  

 

Die Weiterfahrt nach Nancy kam uns vielleicht deshalb recht kurzweilig vor, obwohl es bei der Ankunft schon späterer Mittag war. Beim Place Stanislas, der Hauptattraktion der ehemaligen Hauptstadt der Herzöge von Lothringen, erwartete uns mit einer Quiche Lorraine schon eine weitere lokale Spezialität. Zur Abkühlung auf dem Weg zurück zum Bus, die Temperaturen waren inzwischen sommerlich heiss, gab es noch eine feine Glace. Die Auswahl aus gefühlt hundert verschiedenen Aromen brachte jedes Gehirn zum Schmelzen.  

 

Das nächste Ziel war Metz. Hier sollte unsere Rudertour beginnen. Die letzte Strecke, zum Club d’Aviron Société des     Régates Messines, erwies sich noch als kleine Herausforder- ung, denn sie führte über den Spazierweg und eine schmale Brücke eines an Auffahrt zahlreich bevölkerten Freizeitparks. Unser Team konnte sich in    seiner Vielfältigkeit schon ein erstes Mal bravourös beweisen und unseren Bus mit Bootsanhänger sicher durch die Menschenmenge lenken. Zur Belohnung genossen wir dann an der clubeigenen Bar ein prickelndes Verre de Champagne. Was für ein Auftakt – quel début! Mit Hotelbezug und feinem französischen Essen klang der erste Tag an der Moselle aus.

 

19. Mai 2023:  

1. Etappe, Metz, 15 km

Am Vormittag dieses ersten  Rudertages erkundeten wir auf einer begleiteten Stadtführung Metz. Das Wetter war prächtig und eine sympathische,  unterhaltsame Französin erwartete uns. Metz ist die Hauptstadt des Departement Moselle und Hauptort von      Lothringen im Osten Frankreichs. Über den Place Saint Louis bummelten wir durch die Altstadt zur Cathédrale Saint-Étienne mit ihren Chagall Fenstern. Sie ist die höchste gotische Kathedrale Europas. In den Gassen auf dem Weg dahin begegneten wir dem   Stadtmaskottchen Graoully, der Legende nach ein Drache und hier sehr beliebt. Am Schluss erreichten wir den Marché   Couvert, die Markthalle mit einem ausladenden Angebot, wo man sich mit einem          Baguette Sandwich nochmals stärken konnte. Der letzte   Abschnitt entlang der Moselle führte uns zum Club d’Aviron.

 

Nun galt es ernst. Kurz nach Mittag machten wir unsere Boote klar. Die Routine fehlte noch etwas, das Mitdenken aller Teilnehmenden war deshalb gefragt. Die Einteilung der Ruder- und des Land Teams war gemacht. Das Briefing konnte beginnen. René erklärte uns an gut vorbereiteten Karten die geplante Ruderstrecke von Metz nach Guénange, die Ein- und Aus- wasserungsorte sowie die Besonderheiten dieser Etappe. In diesem Fall zwei Schleusen, die Erste nur wenige Kilometer nach dem Abrudern. Dies gehörte von nun an zur täglichen Routine. Weil es der Beginn der Rudertour war, wurde heute den Themen Sicherheit, Regeln auf dem Fluss und Verhalten in Schleusen und bei der Begegnung mit Lastschiffen (Wellen) besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Wir lauschten gespannt und versuchten die Informationen abzuspeichern. Die Ungeduld war aber spürbar, alle wollten aufs Wasser, pardon auf die Moselle. Zum Glück wussten wir noch nicht was uns erwarten würde…

 

Das Land-Team, heute bestehend aus dem Autor und unserer täglichen Fahrerin Vreni, verabschiedete die Boote am Steg und sah den flatternden Schweizerfähnchen nach. Man wollte sich am Flussufer nach der zweiten Schleuse für einen Mannschaftswechsel   treffen. Schon vorher hatten wir den Schleusenwärter angerufen und die Ankunft von zwei Ruderbooten angekündigt. Er fragte uns nach der «Autorisation» und war damit zufrieden, als wir ihm mitteilten, dass wir über die Vignette verfügten. Alles schien perfekt zu laufen. Wir fuhren mit Bus und Bootsanhänger los zur zweiten Schleuse.

 

In der Zwischenzeit hatten unsere Boote die erste Schleuse erreicht. «Mais quelle surprise», der Schleusenwärter wollte sie partout nicht durch- lassen. Was jetzt erst klar wurde: Die Vignette war nur für die Benutzung der Wasser- strasse. Die verlangte «Autorisation» war etwas ganz, ganz anderes. Nun entwickelte sich ein reger Gesprächsverkehr, zwischen den Booten und dem Schleusenwärter, zwischen dem Land- und Ruder-Team, mit Verantwortlichen des lokalen Clubs und mit der VNF (staatliche Wasserstrassenverwaltung Frankreichs). Wir fragten, fragten nochmals, argumentierten und aktivierten unsere bestmöglichen Französischkenntnisse, setzten unseren ganzen Schweizer Charme ein, um eine Ausnahmebewilligung zu erhalten, «seulement pour ces deux écluses». Wir hatten keine Chance! Es war Freitagnachmittag, kurz nach 15 Uhr, zwischen einem arbeitsfreien Feiertag und dem sonnigen Wochenende. Was normaler- weise 2-3 Monate im Voraus beantragt werden musste, was ein Sicherheitskonzept erforderte, spezielle Ausrüstung und Massnahmen, diesen durch- dachten, sicherheitsorientierten Prozess, detailliert ausgedacht, gut organisiert und konsequent implementiert, konnte man hier, in der Provinz des zentralistischen Frankreichs, nicht einfach mal so kurz überspringen. Dafür hatten wichtige  Beamten und Ministerien in   Paris gesorgt. Leider hatten sie «vergessen», sowohl beim Kauf der Vignette mit dem Hin- weis auf unsere Ruderroute als auch auf den entsprechenden Informationsseiten im Internet, einen gut sichtbaren Hinweis zu platzieren.

 

Auch im Nachgang, denn dieses Erlebnis beschäftigte uns lange, fanden wir trotz eingehender Recherche: Nichts. Nach etwa 1.5 Stunden Wartezeit im Boot, an der brütenden Sonne, hiess es für unsere Ruderteams: Wende über Back- bord. Auf dem Rückweg zum Steg ging es noch etwas flussaufwärts, so dass trotzdem 15 Ruderkilometer zusammen-  kamen. In der Zwischenzeit war auch das Land-Team     wieder zurück. Man entschloss sich, die Boote in Metz stehen zu lassen und morgen zwischen zwei Schleusen zu rudern. Ab der 3. Etappe würden wir nur noch Schleusen auf Deutschem Hoheitsgebiet passieren. Dort, da waren wir sicher, brauchte es keine Bewilligung.  

 

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen“, schrieb der deutsche Dichter Matthias Claudius (1740-1815). Ob ihm diese Worte bei einer Reise durch Frankreich eingefallen sind? Genau deshalb waren aber auch wir unterwegs. Wir machten das einzig Richtige: abhaken, nach vorne schauen! Nun hatten wir viel Gesprächsstoff, die gute Stimmung aber blieb erhalten. Mit dem Bus fuhren wir weiter nach Thionville, zur Übernachtung, wie geplant. Bei einem feinen Nachtessen in einem trendigen Restaurant, bei der Passerelle de l’Europe über die Moselle, ging der ereignisreiche Tag mit unerwarteten Überraschungen relaxed zu Ende. «Vive la France»!

 

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20. Mai 2023:  

2. Etappe, Metz –  «entre deux écluses», 19 km

Nach dem Frühstück fuhren wir mit dem Bus zurück zu unseren Booten in Metz. Am Vormittag ruderten wir zwischen zwei Schleusen, die einzige Möglichkeit, die uns in Frankreich offenblieb. Anschliessend wurden die Boote verladen. Nach dem Picknick auf dem Gelände von «Société des Régates   Messines» fuhren wir weiter Richtung Schwebsange, wo sich der LIRC (Luxembourg   International Rowing Club) befand. Hier würden wir zur 3. Etappe einwassern.  

 

Auf dem Weg entschlossen wir uns spontan zu einem Zwischenstopp in Luxembourg. Wir hatten durch das «Schleusenabenteuer» ja Zeit gewonnen. Luxembourg ist eines der Gründungsmitglieder der Europäischen Union sowie Sitz zahlreicher wichtiger Organe und Behörden der Union. Die Hauptstadt, in der fast 20 Prozent der Gesamtbevölkerung leben, ist berühmt für ihre befestigte mittelalterliche Altstadt, die auf einer Anhöhe liegt. Ein kurzer Rundgang führte uns vom Place de Metz (!) über die Pont Adolphe hinüber zum   Place d’Armes und Place     Guillaume II. Man erkannte sofort die hohe Lebensqualität, welche zur Beliebtheit der Stadt und einem Ausländeranteil von gegen 50 Prozent beträgt.

 

Beim LIRC in Schwebsange angekommen, fanden wir genügend Platz den Bootsanhänger abzustellen und die Slipanlage für die Wasserung der Boote zu erkunden. Mit dem Bus fuhren wir dann im Dreiländereck Deutschland-Frankreich-Luxemburg über die Mosel nach Perl im Deutschen Saarland. Es ist der erste Weinort moselabwärts. Das gemütliche Familiengeführte Hotel  Hammes erwartete uns. Es scheint auch ein beliebtes  Restaurant in der Region zu sein. An diesem Samstag war es auf jeden Fall bis auf den  letzten Platz besetzt. Das Essen war hervorragend und wir die letzten Gäste, die sich verabschiedeten.

 

21. Mai 2023:  

3. Etappe, Schwebsange - Nittel, 23 km

Kultur und Kulinarik gehörte zu unserer Reise genauso wie Rudern. Für den kulturellen Teil vor der Nachmittagsetappe bot sich heute eine gute Gelegenheit: Schengen. Die Ortschaft ist eigentlich ein kleines Winzerdorf an der Mosel. Schengen wurde jedoch zum Synonym für einen Raum ohne Grenzkontrollen, als am 14. Juni 1985 fünf EU-Mitgliedstaaten auf dem ankernden Fahrgastschiff MS «Princesse Marie-Astrid» das Schengener Übereinkommen unterzeichneten, das den Abbau der    Kontrollen an den gemein samen Grenzen und die Einführung des freien Personen- und Warenverkehrs vorsieht (Wikipedia). Auf einer privaten Führung erfuhren wir viel Interessantes zur historischen Bedeutung, besuchten das   Europäische Museum und den Europa-Platz. Obwohl die Schweiz nicht Mitglied der Europäischen Union ist, gehört auch unser Land zu den Schengener Staaten. Unter den zahlreichen Flaggen auf dem Europa-Platz findet man deshalb auch die Schweizer Fahne. Seit diesem Tag ist auch der See-Club Zug ver- treten, an der Skulptur «E Schlass fir Schengen», mit einem Vorhängeschloss und der Auf- schrift «See-Club Zug, Zugersee-Mosel». Schickt uns ein Bild, solltet ihr mal da sein!

 

Von der Kultur zurück zum Rudern. Vom Picknick beim «Luxembourg International   Rowing Club» in die Boote auf die Mosel. Es erwarteten uns 23 km und die erste Schleuse. Obwohl fast alle schon Schleusenerfahrung hatten, ist nach längerer Zeit auf dem See doch jedes Mal eine gewisse Anspannung und Respekt vorhanden vor der ersten Überwindung einer Staustufe. Wir wussten, dass es jeweils eine automatisierte Sportschleuse und eine bediente Schleuse für die grossen Lastschiffe gab. Welche wir benutzen würden, konnte jeweils kurz vorher telefonisch mit dem Schleusen- wärter abgeklärt werden. Die Schleuse in Palzem weist gemäss einer Wikipedia-Liste eine Fallhöhe von 4 m auf. Das war ein guter Anfang, denn es war der kleinste Wert der 11 Schleusen, die uns erwarteten. Und wir konnten gleich erste Erfahrungen mit dem voll- automatisierten Ablauf einer Sportschleuse sammeln. Zuerst galt es jedoch die richtige Einfahrt zu finden. Die Zufahrt zur Sportschleuse war jeweils mit einem weissen Pfeil auf blauem Schild mit weisser Umrandung gekennzeichnet, diejenige für die Berufsschifffahrt mit einem schwarzen Pfeil auf weissem Schild mit einer roten Umrandung. Die Sportschleuse bietet nur für ein Ruderboot Platz.  

Für einen Schleusungsvorgang muss man mit mindestens 30 Minuten rechnen. Weil wir flussabwärts ruderten, hatten wir es immer mit einer Talschleusung zu tun, also mit dem Wechsel von einem höheren auf einen tieferen Wasserspiegel. Auf einem    Display wird jeder Schleusungsschritt angezeigt. Spätestens jetzt sollten alle die Schwimmweste angezogen haben. Der erste Schritt, wenn man an das geschlossene Obertor fährt, was mit der roten Einfahrts-Ampel angezeigt wird, ist eine Schleusungsanforderung auszulösen. Dazu gibt es in der Seitenmauer vor dem Tor Stangen mit roten und    grünen Griffen. Mit dem grünen Griff löst man einen Vorgang aus, mit dem roten kann man ihn jederzeit abbrechen. Die Aufgabe des Steuermannes, es kann natürlich auch eine Steuerfrau sein, ist es das Boot in eine Position zu bringen, wo ein Mitglied der Mannschaft den grünen Griff ziehen kann. Mit einem akustischen Signal wird die Auslösung bestätigt und auf dem Display erscheint eine Info, dass der Schleusenvorgang beginnt oder das Tor sich öffnet. Dazu erscheint eine Zeitangabe mit der zu erwartenden Dauer in Minuten. Sobald die Einfahrts-Ampel auf Grün geht, kann man in die Schleusenkammer einfahren. Nun sind klare Kommandos und absolute Aufmerksamkeit gefordert. Die Ruder müssen beidseitig langgenommen werden. Es gilt das Gleichgewicht zu halten. Die steuernde Person unterstützt die Einfahrt mit dem Paddel. Das Boot muss zwischen den weissen Markierungslinien platziert   werden, um nicht auf dem sogenannten Drempel aufzuliegen, einer Torschwelle unter Wasser. Mit dem Haken des ausgezogenen Paddels hält sich die steuernde Person an den Streben einer in der Mauer der Schleusenkammer eingelassenen Leiter fest. Mit der Betätigung des grünen Griffes wird der nächste Schleusungs- schritt eingeleitet. Das obere Tor schliesst sich jetzt und das Wasser fliesst zügig ab. Der  Wasserspiegel sinkt und das Boot mit ihm. Es ist wichtig    darauf zu achten, dass weder Ruder noch Ausleger oder     andere Gegenstände an der Schleusenwand hängen      bleiben. Der Vorgang kann über 10 Minuten dauern. Sobald der Wasserspiegel des unteren Schleusenkanals   erreicht ist, öffnet sich das Untertor. Wenn die Ausfahrts-  Ampel auf Grün wechselt, kann ausgefahren werden. Vortrieb gibt zuerst das Paddel der steuernden Person und sobald wie möglich die Ruder am Bug. Die Talschleusung ist damit abgeschlossen. In der Zwi- schenzeit hat das nachfolgende Ruderboot bereits eine Talschleusung angefordert (oder ein Boot im unteren Kanal eine Bergschleusung). Nun schliesst sich das Untertor und die    Schleusenkammer wird gefüllt. Nach Abschluss des Füllvorgangs ist die Schleuse bereit für die nächste Talschleusung. War man vorher eher ange- spannt, gönnt man sich jetzt eine kurze Pause, trinkt etwas, erledigt sich allenfalls der Schwimmweste und freut sich auf die Weiterfahrt.  

 

Ein Schleusenvorgang ist übrigens ein hochdynamischer Gruppenprozess. Gesungen wird oft. Manchmal «singt» man sich gegenseitig an, manchmal werden ganz relaxed Lieder  gesungen. Aus der Erfahrung des Autors hängt das ganz   stark mit der Gruppenzusammensetzung zusammen, mit klaren und verständlichen Kommandos, der Übernahme von Verantwortung (z.B. durch die steuernde oder schlaggebende Person) sowie dem Vertrauen des Teams in die Kompetenz dieser Person. Gut gegangen ist es bis jetzt immer und beim Apéro am Abend hat man zusammen auf die Erlebnisse angestossen!

 

An diesem Tag erhielten wir erstmals eine Vorahnung von der typischen Landschaft der Mosel, mit den Weinbergen und den Flussschlaufen. Eine  schöne Voraussicht! Beim Tagesziel in Nittel erwartete uns eine Landung am Uferweg mit einem Podest aus Steinplatten. Zu Fuss konnten wir zum Weingut Zilliken gehen, wo uns im lauschigen Garten schon eine kleine Weindegustation durch die Besitzer erwartete. Sie    begann mit einem Elbling, einer Rebsorte, die es neben der   Mosel nur noch im Wallis geben soll. Ganz zur Freude von Mirjam. Wir genossen den herrlichen Wein, das sommer- liche Wetter und die Gast- freundschaft. Passend zu Ort und Saison gab es frische  Deutsche Spargel in Kombi-  nation mit Fleisch oder Fisch. Liebe Mosel, heute hast du   endgültig unser Herz gewonnen!

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22. Mai 2023:  

4. Etappe, Nittel - Trier, 27 km

Heute erwarteten uns zwei Schleusen: Grevenmacher–Wellen und Trier. Die Fallhöhen von etwas mehr als 6 bzw. 7 m waren deutlich höher als gestern.  Beides bedeutete, mehr Zeit einzuberechnen. Zudem waren am früheren Nachmittag Gewitter angesagt. Wir ruderten deshalb zeitig los und kamen gut voran. Nach dem Mittagshalt in Konz gab es die Möglichkeit für eine kurzen touristischen Abstecher. Weil sich die Gewitterzellen jedoch schon ankündigten und wir vor ihnen in Trier sein wollten, verzichteten wir darauf. Zeitweise blies uns nun ein kräftiger Wind entgegen und auch einige Regentropfen glaubten wir zu verspüren. Wir registrierten zudem Donnergrollen und einen Blitz. Wir hatten Glück! Das Gewitter zog an uns vorbei.  Trotzdem waren wir froh als  unsere Boote bei der Ruder- gesellschaft Trier 1883 e.V.  sicher verstaut waren. Der    aufmerksame Leser hat sicher bemerkt, dass der See-Club Zug genau ein Jahr früher gegründet wurde.

 

Nach dem Hotelbezug begrüsste uns ein Ruderkollege aus Trier und zeigte uns seine Stadt.  Trier, im Jahre 16 v. Chr. unter dem römischen Kaiser Augustus gegründet, ist nicht nur als älteste Stadt Deutschlands bekannt, sondern auch als bedeutendes Zentrum antiker Kunstschätze und   Baudenkmäler, wie der Porta Nigra, dem am besten erhaltenen  Stadttor der antiken Welt. Trier hat aber noch andere  Besonderheiten. Zum Beispiel Karl Marx als Ampelmännchen. In seiner Heimatstadt leuchtet der gebürtige Trierer Philosophe nicht nur rot, sondern auch grün und sorgt damit für sicheres Überqueren der    Strasse. Am zentralen Platz in Trier, dem Hauptmarkt, bestaunten wir eine ganze Parade von Häusern der  Renaissance, des Barock, des Klassizismus und des Spät-  historismus. Der Trierer Dom St. Peter ist die älteste Bischof- kirche Deutschlands. Kaum drinnen wurden wir jedoch auf das Ende der Besuchszeiten in wenigen Minuten hingewiesen. Dann halt weiter zum Kurfürstlichen Palais und dem schönen Palastgarten.  

 

Es war heiss und wir waren durstig. Zum Glück war für das Abendessen in der Weinwirt- schaft Friedrich-Wilhelm, wo es auch Bier gab, bereits reserviert. Die gedeckte Terrasse war gemütlich und schützte uns vor einem kurzen frühsommer- lichen Regen. Das Essen, es sollen einige Wiener Schnitzel an frischer Deutscher Spargel (!) gewesen sein, war herrlich und passte gut zum Schiefer Riesling des ehemaligen Stiftungsweingutes des Friedrich-Wilhelm-Gymnasium. Es war auch Ausbildungsstätte unseres neuen Ruderfreundes und Stadtführers.

 

23. Mai 2023:  

5. Etappe, Trier - Neumagen, 40 km

Es sollte eine der beiden Königsetappen sein. Das     Wetter erst etwas bewölkt, gegen Abend aber wieder   sonnig. Wir ruderten im Flusstal umgeben von Wäldern und   Rebbergen. In den Moselschlaufen wechselte sich Mit- und Gegenwind ab. Beim Bootshafen «Moselherz» in Pölich erwartete uns ein schöner Bootssteg und ein feines Mittags-Picknick.  Die Pause tat gut, denn wir waren jetzt erst etwa in der Hälfte der heutigen Etappe. Weiter ging es zur  Schleuse Detzem, mit 9 m    Fallhöhe die höchste dieser Rudertour. Es ist schon beeindruckend und auch etwas beklemmend, wenn es in der engen Schleusenkammer   einfach mal so 9 m hinunter geht.  Das spezielle Schleusengefühl hatten wir jedoch zwischenzeitlich schon verinnerlicht und eine gewisse Routine dafür   entwickelt. Die «Trittenheimer Apotheke» benötigten wir zum Glück also nicht, auch wenn dies hier der Name eines      Rebberges ist, dessen Schild auch vom Ruderboot aus gut lesbar war. Die «Neumagener Sonnenuhr», mit dem Zusatz «NON · PLUS · ULTRA», kündigte uns dann das Etappenziel an. Mangels Sonne war die Zeit leider nicht ablesbar. Solchen grossen Sonnenuhren sind wir übrigens oft begegnet. Sie zierten markante Felsen in den Steilhängen des Moseltals. Häufig sind sogar Weinlagen nach ihnen benannt. Es ist Nostalgie pur und lässt keinen Zweifel daran, dass hier besonders edle Weine in der Sonne reifen. Die Einfahrt in den Sportbootshafen von   Neumagen, Marina genannt, war noch etwas trickreich. Sie war enger als eine Moselschleife und wir wollten den frischen geschlüpften Nach- wuchs einer neugierigen Schwan Familie nicht erschrecken.

 

Praktisch vom Boot weg ging es mit dem bereitstehenden Gepäck zum Hotel Restaurant Lekker. Der Name ist           Programm, in diesem neu und modern, aber sanft renovierten Haus, in Deutschlands ältestem Weinort. Vor dem Apéro im   lauschigen Innenhof blieb noch etwas Zeit für eine kurze Dorfbesichtigung. Und hier schloss sich sozusagen der Kreis zu den Galeeren der Römer.  Denn hier ankert die «Stella  Noviomagi», ein römerzeitliches  Schiff und fahrtüchtiger  Nachbau des berühmten Neumagener Weinschiffs, das einst das monumentale Grabmal eines reichen Händlers zierte.  

 

Auch das Nachtessen in den Gewölben unseres Hotels war lekker, ja vielleicht sogar monumental. Es ist auf jeden Fall anzunehmen, dass alle bald in einen tiefen Schlaf fielen. Entweder wegen der anstrengenden Etappe oder dem üppigen Essen.

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24. Mai 2023:  

6. Etappe, Neumagen –  Bernkastel-Kues, 26 km

Der Blick am Morgen zum Himmel war vielversprechend. Er präsentierte sich in Blau und Sonnenschein. Es war bereits durchgesickert, dass uns heute eine Überraschung erwarten würde. Auch, dass es eine Weindegustation am Flussufer sein würde. Und das kam so: Ein Arbeitskollege von Gregor kommt aus der Moselregion.  Er und seine Familie bewirtschaftet das Weingut Steffen-Lex in Osann-Monzel, was hier gerade mal zwei Flussschleifen abwärts ist. Nun kam Gregor auf die super Idee, eine spontane Weinverkostung   zu organisieren. Dafür sei     nochmals ganz herzlich gedankt! In der Regel rudern wir eigentlich immer eine Etappe zu Ende, bevor wir uns einem alkoholischen Apéro widmen. Für einmal freuten wir uns aber auf einen kurzen Zwischenhalt vor dem Mittag, zumal die   Strecke für einen ganzen Tag nicht so lang war und das    Wetter dafür perfekt. Nach   knapp einer Stunde rudern  durften wir also in Minheim schon wieder an Land.  

 

Der runde Picknick-Tisch, direkt an der Mosel, war gedeckt und die Schwester von Gregors  Kollege und ihr Mann erwarteten uns. Es gab nicht nur    kühlen Wein, sondern auch  frische Laugenzopf-Ringe mit selbstgemachtem Kräuter-Quark-Aufstrich. Gut, wer sich beim Frühstück etwas zurückhalten konnte. Den Auftakt machte ein Riesling trocken. Später kamen noch ein Weissburgunder trocken und ein Grauburgunder feinherb dazu. Immer begleitet von Erklärungen und Geschichten zu den Weinen. In der gut gefüllten Kühltruhe gab es noch mehr davon. Übertreiben wollten wir es nicht, aber auch nicht auf den Genuss ver-   zichten. Gut, fanden wir in unserem Bus einen Platz zur späteren Verwendung.  

 

Jetzt ging es wieder im Ruderboot weiter. Bald erreichten wir die heutige Schleuse Wintrich und unsere zweite Tages-   überraschung. Wir durften hinter dem Tankschiff «RANNA» die grosse Schleuse benutzen. Die RANNA ist gemäss binnen- schifferforum.de 110 m lang, 11 m breit, hat einen Tiefgang von 3 m und eine Tonnage von 2507 t. Sie ist in Beuvry (Frankreich) gemeldet, wurde 1957 erbaut und trug ursprünglich den Namen «Piz Julier». Sie hat sich bestimmt über unser Schweizer Fähnlein am Heck gefreut. Der Schleusungsvorgang verläuft grundsätzlich ähnlich. Allerdings haben beide Ruderboote Platz, weshalb er für uns insgesamt viel weniger Zeit beansprucht. Die Platzverhältnisse sind weniger      beengend und der Vorgang wird überwacht. Einzig bei der Ausfahrt im Strudel des «Tankers» ist etwas mehr Vorsicht geboten.  

 

Vorbei an wunderschönen Weingütern erreichten wir  gegen 14 Uhr den Bootssteg des Bernkasteler Ruderverein 1874 e.V. Nach dem Hotelbezug hatten wir genug Zeit für eine Stadtbesichtigung.

 

Bernkastel-Kues soll eines der beliebtesten Urlaubsziele an der Mosel sein und nennt sich stolz «Zentrum der Mittel-    mosel». Es ist eines der  ältesten Gebiete des deutschen Weinbaues und berühmt für  seine Weinbergslagen, wie   Bernkasteler Doctor, Badstube, Graben, Schlossberg, Kueser Weisenstein, Kueser Kardinals- berg, Rosenberg, Wehlener Sonnenuhr, Andeler Gold- schatz. Wir bummelten durch die malerischen Gassen und bewunderten die Fachwerkhäuser und die vielen Weinlokale. Wie spazierten am Alten Moselbahnhof vorbei, wo bis Ende 1962 das «Saufbähnchen» von Bullay über Bernkastel-Kues nach Trier fuhr. Nach einem kurzen Aufstieg durch die Rebberge zum Aussichtspunkt Schützenhaus, einzelne sogar zur Burg Landshut, suchten wir uns ein gemütliches Weinlokal für ein Glas Mosel-Sekt. Wir mussten uns jedoch beeilen, denn um 18 Uhr wurden hier die Geschäfte geschlossen. Gut hatten wir für das Nacht- essen schon reserviert.

 

25. Mai 2023:  

7. Etappe, Bernkastel-Kues - Zell, 41 km

Die zweite Königsetappe, die Königinetappe, gibt es das?  Jedenfalls ruderten wir bei   strahlendem Moselwetter los. Die Schleuse in Zeltingen   konnten beide Boote hinter dem Frachtschiff «MINNA»   passieren. Easy! Die Sonnen- uhr Ürzig zeigte uns beim    Vorbeirudern die Zeit. Für Erheiterung sorgten die Namen der Weingüter. «Erdener Treppchen» - machte noch irgendwie Sinn, angesichts des steilen Geländes. «Kröver    Nacktarsch» hingegen weniger. Da musste man zwei Mal hinsehen um sicher zu sein, dass man richtig gelesen hatte. Will man einen solchen Wein  wirklich trinken? Gab es        vielleicht einmal einen Wettbewerb für den originellsten Namen? Besser passt da  sicher die «Wolfer Goldgrube» zum Weinbusiness. Viel Zeit uns weitere Gedanken zu machen, blieb nicht.  

 

Wir erreichten den Steg des  Ruder-Club Traben-Trarbach 1881 e.V. Es war Zeit für die  Mittagspause. Das Bootshaus im Fachwerkbau thronte an einem lauschigen Plätzchen über dem Moselufer. Wir durften die schöne Terrasse mit Blick auf die Mosel benutzen. Etwas Erholung und Stärkung taten gut, denn wir hatten noch eine Strecke vor uns. Die Sonne brannte auf dem Fluss und der Wind half mal  schieben, mal bremste er. In jeder Flussschlaufe ein Wechsel. So ging es weiter bis Enkirch, der zweiten Schleuse dieser Etappe. Wir durften in die grosse Kammer. Ohne Last -schiff. Solche geräumigen Verhältnisse waren wir uns     nicht gewohnt. Es fühlte sich eher an wie in einem Kanal als wie in einer Schleuse. Wir  erreichten den Ruderverein Zell e.V. 1921. Es ist immer  einfacher an einem Bootssteg auszusteigen als bei Slipanlagen, Ufermauern oder im Wasser. Gerade nach einer langen Etappe.

 

Das Weinhotel Mayer, gleich am Moselufer, hatte für uns Zimmer mit Moselblick reserviert. Wunderbar! Es ist die Heimat der Lage «Der schwarzen Katz». Sie ist hier omnipräsent. Der Legende nach, soll bei einem Weinverkauf die Katze plötzlich auf eines der Fässer gesprungen sein, einen Buckel gemacht und jeden angefaucht haben, der sich dem Fass nähern wollte. Daraufhin seien sich die Kaufleute schnell einig gewesen und entschieden sich für das Weinfass, das die schwarze Katze so hartnäckig bewachte. Selbstverständlich probierten wir eine Riesling Spätlese der «Zeller Schwarze Katz» und wurden auf dem  Marktplatz von lokalen Gesangschören, die ein Jubiläum feierten, mit lustigen Liedern begleitet. Vermutlich hatten wir auch an diesem Abend wieder eine Deutsche Spargel gegessen. Es passte einfach so gut.

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26. Mai 2023:  

8. Etappe, Zell - Cochem, 39 km

Es ging weiter mit den langen Strecken. René achtete bei  seinen Bootseinteilungen auf ausgeglichene Kräfteverhält- nisse, plante Wechsel ein, so dass alle an einem Tag zum Rudern kamen. Er versuchte, individuelle Wünsche zu berücksichtigen, etwa beim Landdienst, Steuern oder nur halbtägigen Rudern. Das funktionierte sehr gut und war gerade nach langen Etappen für das ganze Team eine Unterstützung. Am frühen Morgen war die Mosel oft spiegelglatt, Rotseewasser. Doch noch bevor wir loslegten, kam meistens der Wind. So auch heute.

 

Die Schleuse St. Aldegund (7 m) passierten wir einzeln. Das war immer mit Wartezeiten verbunden. Kurz darauf kam bei Bremm die wohl bekannteste Moselschlaufe. Auf einer kurzen Strecke drehte unser Kurs um 180 Grad. Die Landschaft um das Dorf erhält ihren Charakter durch die steilen Hänge des Calmont und ist eine Naturkulisse der ganz besonderen Art. Der Bremmer Calmont mit 378 Metern Höhe und ca. 65 Grad Steigung ist die steilste Weinbergslage Europas. Das haben wir nicht immer alles so mitbekommen, denn aus der Perspektive des Bootes fehlte uns dieser Überblick. Beeindruckend war es aber auch aus der «Froschperspektive».  

 

Kurz nach dem Mittagessen in Senheim erreichten wir einen weiteren Höhepunkt: Das «Dornröschen der Mosel» in Beilstein. Berühmt ist der Ort, neben anderen historischen Ereignissen, auch wegen dem 1936 gedrehten Spielfilm „Wenn wir alle Engel wären“ mit Heinz Rühmann und Leni Marenbach. Als der Film ent- standen ist, war noch niemand von uns geboren. Doch bekannt war er bei einigen trotzdem. Wir landeten unsere Boote auf der genüberliegenden Flussseite und pendelten mit der Fähre hin und zurück. Das kurze Intermezzo tat unseren Gliedern gut, war aber sehr touristisch geprägt. Bei Fankel erwartete uns die gleichnamige Schleuse (7 m). Wir passierten sie hintereinander in der Sport Ausführung.  

 

Bald näherten wir uns Cochem. Für die Steuerleute war die  Reichsburg hoch oben schon bald gut erkennbar. Für das  Ruderteam erst nach dem Eindrehen gegen die Strömung zum Landemanöver am Steg der Cochemer Rudergesellschaft 1905 e.V. Das Gute am Steg war seine Rolle für die Boote. Weniger begeisternd schien uns seine Beliebtheit bei Schwänen und Enten, unübersehbar und unsere volle Aufmerksamkeit bezüglich Schrittmuster fordernd. Das muss uns in diesem Moment derart genervt haben, dass wir mit einer hypereffizienten Putzaktion einem Gemeindeangestellten seine Tagesarbeit abnahmen. Zum Gaudi des zuschauenden Teils unserer Rudertruppe. In der Zwischenzeit war es Abend geworden und neben Hotel-   bezug und Duschen blieb wenig Zeit für eine Besichtigung. Für einmal gaben wir uns mit dem Wissen zufrieden, in Deutsch- lands kleinster Kreisstadt zu sein.

 

27. Mai 2023:  

9. Etappe, Cochem - Alken,  29 km

Nun ging es langsam dem Ende unserer Moselfahrt entgegen. Es schien uns, dass die Flussschlaufen weiter und weniger wurden. Die Landschaft war aber immer noch geprägt von steilen Rebbergen, wo fast     jeder Quadratmeter ausgenutzt wurde. Die Sportschleuse  Müden (6.5 m) mussten wir einzeln passieren. Gleich daneben war die grosse Schleuse. Das zweite Boot, in dem auch der Autor sass, konnte an einem Steg aussteigen und hatte so die bisher einzige Gelegenheit sowohl den Schleusungsvorgang des «Take Five» als auch des grossen Hotelschiffs «Viking Hild» von Viking Cruises mitzuverfolgen. Das schwimmende Hotel wurde 2017 erbaut, ist 135 m lang und 11.5 m breit. Es hat 95 Kabinen und bietet Platz für 190 Passagiere und 49 Crew auf 4 Decks. Es war gerade an der Bergschleusung. Zuerst sahen wir nur die Köpfe von Passa- gieren auf dem Sun Deck. Dann erschienen die Kabinenfenster im Upper und Middle Deck. Während wir mit einigen erst auf Augenhöhe sprachen, stiegen sie währenddem in die Höhe. Das Main Deck blieb teilweise unter unserer Sichtlinie.  

Gleichzeitig war das erste Boot in der Talschleusung der Sport- schleuse. Die ganze Anlage war zugänglich, weshalb wir von oben Einsicht in die Schleusenkammer hatten und mitverfolgen konnten, wie das Boot immer weiter absank. Das war für uns eine neue, jedoch nicht weniger beeindruckende Perspektive. Ganz relaxed konnten wir jeden Schritt mit- verfolgen und alle Details, wie etwa Tore, Drempel, Leiter oder Auslösegriffe betrachten. Nach der Ausfahrt unseres Ruderbootes erfolgte zuerst die Bergschleusung eines Sport- bootes. Auch diesen Vorgang konnten wir mitverfolgen. Besonders interessant war zu sehen, mit welcher Kraft das Wasser in die zu füllende Schleusenkammer strömte.  Wir bevorzugten definitiv die Talschleusung.  

 

Das Mittags-Picknick erwartete uns beim Campingplatz Burg Eltz. Die Boote landeten wir gleich bei der Elzbach Mündung. Es war ein sogenannter nasser Ausstieg am sandigen Ufer. Die Erfrischung im Schatten tat gut. Nun er- wartet uns noch der zweite Teil. Wir wussten noch nicht, ob es möglich war in Alken zu landen. Bei der Rekognoszierung im Januar herrschte nämlich     Hochwasser. Zum Glück war mit Hans-Jörg heute ein erfahrener Wanderruderer im Landdienst eingeteilt. Er beurteilte die Situation vor Ort und gab per Funk grünes Licht.  

 

In Alken waren wir im Moselhotel Burg-Café Alken, direkt am Moselufer untergebracht. Alken soll einer der reizvollsten Orte an der Untermosel sein und liegt 22 km von Koblenz moselaufwärts in der herrlichen Landschaft des Flusses und seiner Berge. Eine besondere Sehenswürdigkeit ist die Burg Thurant, hoch über dem Moselort gelegen. Der Weg hinauf führte an der St. Michaels    Kirche vorbei. Ein kleines Grüp- pchen, das noch genug En-   ergie hatte, machte sich auf den schmalen Moselsteig. Leider war die Burg dann schon geschlossen. Doch auch die Aussicht war den Aufstieg wert. Und ganz weit unten, direkt am Moselufer war sogar der rote Bug des «Take Five» zu erkennen. Das Nachtessen  konnten wir am Moselufer unter freiem Himmel geniessen. Es war der letzte Abend in ländlicher Umgebung von Fluss, Rebbergen und Burgen.  

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28. Mai 2023:  

10. Etappe, Alken - Koblenz, 21 km

Die letzte Ruderetappe unserer Reise. Es war Pfingstsonntag. Herrliches Wetter. Zeit, um draussen zu sein. Das spürte man. Überall! Am Flussufer die Camper und Angler in ihren   bequemen Stühlen. Sie  winkten oder grüssten uns. Auf dem Mosel-Radweg die Biker, auch sie winkten oder klingelten. Manchmal in Gruppen und orangen Westen, manchmal einzeln. Auf dem Fluss waren viele Boote unterwegs. Hotel- schiffe, Sportboote mit und ohne Wasserski, Kayaks und Stand-up Paddler. Den einen musste man nur ausweichen, bei den andern musste man auf die Wellen achten, damit es nicht das Ruderboot füllte.  

 

Apropos Wellen. In der  Zwischenzeit wussten wir wie wir unsere Boote steuern mussten. Kam uns ein Schiff entgegen, das konnten die Steuerleute sehen, fuhr man am besten von Ufernähe auf seinen Bug zu und drehte dann in einem Winkel von ca. 90 Grad weg, so dass unser Boot parallel zu den Wellen stand. Sobald man die Wellenfronten näherkommen sah, empfahl es sich mit rudern aufzuhören. Wurden wir von einem Boot überholt, dazu brauchte es für die Steuerleute einen Hinweis aus dem Ruderteam, empfahl es sich etwas ans Ufer zu    fahren, rechtzeitig wieder gegen den Fluss einzudrehen und das Boot ebenfalls parallel zu den Wellenfronten zu positionieren. Das haben wir meist gut geschafft und wir mussten kaum jemals Wasser schöpfen. In den letzten Tagen, mit dem vielen Schiffverkehr, wurde das jedoch teilweise schwierig, weil wir gleichzeitig Wellen von uns kreuzenden und überholenden Schiffen   hatten. Die grössten Wellen produzierten übrigens nicht mal die Lastschiffe, sondern die schnellen Sportboote (mit und ohne Wakeboard bzw. Wasserski) oder Kursschiffe, wie wir sie vom Zugersee auch kennen. Wellen hatten immer auch einen direkten Bezug zur Geschwindigkeit dieser Wasserfahrzeuge. Es gab viele rück- sichtsvolle Kapitäne, jedoch auch einige Raser.

 

Die letzte Schleuse Lehmen kam kurz nach dem Start. Wir duften hinter der «AMARA» in die grosse Schleusenkammer einfahren. Wir sahen nur das Heck, auf dem sich sicher noch zwei zugedeckte Personen- wagen befanden. Als wir etwas nahe auffuhren, wurden wir angewiesen mehr Abstand zu nehmen.  Das stellte sich als gute Empfehlung heraus, denn bei der Ausfahrt produzierte das Schiff eine fürchterlich stinkende Abgaswolke.  

 

Wir genossen noch einmal die letzten steilen Rebberge. Die Landschaft wurde jetzt zunehmend urbaner. Es hatte mehr Häuser, auch Villen, coole Fluss-Lounges und seit langem auch wieder Segelschiffe. Die Nähe von Koblenz war deutlich spürbar. Kurz nach 12 Uhr legte der «Take Five» am Bootssteg des Koblenzer Ruderclub Rhenania 1877/1921 e.V. an. Und bald konnte auch das «Chriesi» die 280 km lange Ruderfahrt beenden. Hier mündet die Mosel in den Rhein und hier machten wir den letzten Ruderschlag unserer Moselfahrt. Die Freude über diese Leistung und das unvergessliche Erlebnis stand allen ins Gesicht geschrieben. Wir umarmten uns und klatschten mit einem «High Five» ab.

 

Vor dem Mittagslunch wurde das ganze Bootsmaterial verladen und reisefertig gemacht. Im Schatten gab es wie immer ein reichhaltiges Picknick mit Brot, Käse, Fleisch, Gemüse und Früchten. Oft auch mit lokalen Spezialitäten. Und das war jetzt auch die passende Gelegenheit den Rest der feinen Weine zu trinken, die seit der Weinprobe am Moselufer gut gekühlt im Bus mitreisten.

 

Unser Hotel Morjan war an bester Lage. Direkt am Rhein, unweit vom Deutschen Eck. Die meisten Koblenzer Sehens- würdigkeiten zu Fuss erreichbar. Nach dem Duschen wollten wir etwas von der Stadt sehen. Mit der Seilbahn Koblenz schwebten wir zuerst hoch über den Rhein zum    Gelände der Festung Ehrenbreitstein. Die Aussichtsplattform bietet einen einzigartigen Blick auf das Deutsche Eck, wo Rhein und Mosel sich vereinen. Sie ist, nördlich der Alpen, die grösste Seilbahn ihrer Art, hat 18 Gondeln und wurde für die Bundesgartenschau 2011 er-  richtet. Seither zählt sie zu den beliebtesten Attraktionen in   Koblenz. Mosel und Rhein  liessen sich von hier oben gut unterscheiden, auch farblich; Der Rhein eher gräulich trüb, die Mosel eher bläulich klar. Interessant! Nach der Rückfahrt ging es dann schnurstracks zur Mündung am Eck und auch hier waren die Farbunterschiede zu sehen. Das Deutsche Eck ist eine künstlich aufgeschüttete Landzunge. Es wird dominiert vom Kaiser-Wilhelm-Denkmal. Nun war es Zeit für ein Bier oder ein anderes kühles Getränk an einem schattigen Platz in der Altstadt.

 

Unseren letzten Abend verbrachten wir im Alten Brauhaus von 1689. Das rustikale Ambiente passte zum Namen, die Speisekarte war umfangreich und deftig, das Bierangebot üppig. Für genügend Nachschub an Kalorien war also gesorgt. Es war schön, als Team nochmals gemeinsam an einem grossen Tisch zu sitzen. Wir hatten so viel zusammen erlebt und waren Vreni und René dafür so dankbar. Das zeigten wir ihnen auch, mit einer von allen unterschriebenen persönlichen Dankeskarte und der Überreichung einer Flasche «Moselfeuer», einem Kräuterlikör aus 31 Kräutern und   Wurzeln. Das Moselfeuer, das die beiden in uns entfacht haben, wird bestimmt noch lange weiterbrennen.

 

29. Mai 2023:  

Rückreise, Koblenz - Zug

Am Pfingstmontag fuhren wir rechtzeitig los. Es war mit etwas Reiseverkehr zu rechnen. Einem Verkaufsstand an der Strasse, der frische Deutsche Erdbeeren und Spargeln anbot, konnten wir   nicht widerstehen. Das war bestimmt ein gutes Geschäft für die Verkäuferinnen.  

 

Gegen 13 Uhr erreichten wir Baden-Baden. Die Stad ist so bekannt, dass man sie kaum erklären muss und wenn nicht, gibt es dafür Google. Nur wenige von uns hatten die Kurstadt im Schwarzwald, die sich im Südwesten Deutschlands unweit der Grenze zu Frankreich befindet, jedoch schon besucht. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich Baden-Baden dank seiner Thermalbäder zur mondänen Bäderstadt.  Entlang der Oos verläuft die von Parkanlagen gesäumte Lichtentaler Allee, die Hauptpromenade der Stadt. Hier stiegen wir aus und hatten etwas Zeit für eine individuelle Besichtigung. Etwa der 1824 errichteten Kurhausanlage, zu der auch das dem Schloss  Versailles nachempfundene Casino gehört. Oder für einen Blick in die Trinkhalle des Kurhauses, welches über eine mit Fresken geschmückte   Wandelhalle und einen Mineralbrunnen verfügt. Zuerst stand bei den meisten jedoch ein schnelles Mittagessen oder ein Sandwich zum Mitnehmen auf dem Programm.

 

Die Weiterfahrt verlief problemlos. Ohne nennenswerten Stau erreichten wir um 17 Uhr den See-Club Zug. Das Abladen, Reinigen der Boote und Ver- sorgen der Ausrüstung erledigten wir schnell und routiniert. Und damit war dann auch     unsere tolle Ruderfahrt auf der Mosel zu Ende. Als Erinnerung an die vielen sportlichen, kulturellen und kulinarischen Er-   lebnisse, durften alle noch eine Flasche Elbling vom Weingut Zilliken mit nach Hause nehmen, dort wo die Mosel endgültig unser Herz gewonnen hatte.

 

Der grosse Dank des ganzen Mosel-Teams geht an Vreni und René Fasan, welche diese Ruderfahrt geplant und rekognosziert haben. Ihr habt die Reise sympathisch geleitet, uns sicher gefahren und an wundervolle Orte geführt. Der Mix aus Sport, Kultur und  Kulinarik war perfekt.  

 

Nicht nur die Mosel, auch ihr habt unser Herz gewonnen!

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